Was bedeutet die ARD/ZDF-Onlinestudie für Weiterbildungsangebote?

Jedes Jahr veröffentlichen ARD und ZDF die Onlinestudie, die es seit 1997 gibt. Neben der JIM-Studie für den Bereich der Mediennutzung unter Jugendlichen ist sie die wichtigste Studie, wenn man verlässliche Zahlen zum Nutzungsverhalten der Deutschen im Bezug auf Medien erhalten möchte. Natürlich ist sie ein Rundumschlag und differenziert an manchen Stellen nur oberflächlich – um die eigene Erhebung mit der eigenen Zielgruppe kommt man also, wie ich aufzeigen werde, nicht herum –, sie bietet aber einige gute Anhaltspunkte für einen Start ins Thema.

Neben den nackten Zahlen – und nackt ist hier im doppelten Sinne gebraucht: es gibt die Zahlen in Tabellen ohne Interpretation und auch ohne jegliche grafische Aufbereitung – werden für 2012 drei Berichte „mitgeliefert“, die verschiedene Ergebnisse der Studie zusammenfassen:

Natürlich konzentrieren sich die Berichte auf Bereiche, die für die Fernsehanstalten relevant sind. Allerdings sind die Daten auch für andere Bereiche interessant, z.B. wenn es um die Gewöhnung der Nutzer an bestimmte Phänomene im Web (etwa Konsum von multimedialen Inhalten oder aktives Partizipieren in Communities) geht oder um das Fehlen eben dieser. Marie-Christine Schindler hat den Web 2.0 Bericht bereits aus PR-Sicht ausgewertet. Weitere Auswertungen werden in den nächsten Tagen und Wochen sicher folgen. Ich habe mich mal aus Sicht von wissenschaftlichen Weiterbildungsangeboten durch die Berichte „gekämpft“ und versucht, im Folgenden die interessantesten Entwicklungen herauszustreichen. Dabei kann ich allerdings teilweise keine Antworten auf die Frage im Titel geben, denn oft reichen die Daten einfach nicht aus. Vielleicht kann dieser Artikel dennoch eine Anregung sein, im Rahmen von E-Learning-basierten Weiterbildungsangeboten die richtigen Fragen zu stellen.

Die Internetnutzung der Deutschen steigt seit Anbeginn der Aufzeichnungen. Es gibt ein paar interessante Punkte bei den allgemeinen Aspekten hervor zu heben, die ich ich durch eine schnelle und nur halb schöne Visualisierung unterstreichen möchte.

Der Unterschied bei der Internetnutzung zwischen Männern und Frauen bleibt seit Jahren auf dem gleichen Niveau. Frauen aller Altersgruppen liegen immer leicht zurück, außer bei den unter 20-Jährigen, die als Gesamtgruppe eine vollkommene Sättigung von 100 % bei der Nutzung aufweisen.

Internetnutzung allgemein - Männlich/Weiblich

Unterschied zwischen Männern und Frauen im Vergleich zur Gesamtnutzung (Angaben in %)

Wichtig wäre in diesem Zusammenhang heraus zu finden, wie es mit berufstätigen Frauen und Männern steht und wie unterschiedlich diese Verteilung in den einzelnen für Weiterbildungsangebote besonders relevante Altersgruppen (also zwischen 20 und 60 Jahren mit starkem Schwerpunkt auf die Gruppe 30-39) ist. Nur dann kann man in E-Learning-gestützten Weiterbildungsangeboten genderspezifische Aspekte berücksichtigen. Hier ist eine Aufschlüsselung in der Studie nicht vorhanden. Ein Punkt, den man also in speziellen Befragungen besonders berücksichtigen muss.

Allgemein lässt sich zur Altersstruktur der Onlinenutzer sagen, dass die Anteile generell sehr hoch sind und nur bei den 50-59-Jährigen auf unter 80% fallen. Man kann also schon davon ausgehen, dass die Zielgruppe von Weiterbildung mit dem Medium Internet vertraut ist, auch wenn diese nackten Zahlen noch nichts über die konkreten Fertigkeiten aussagen.

Altersstufen bei der Onlinenutzung (Angaben in %)

Altersstufen bei der Onlinenutzung (Angaben in %)

Interessant ist auch die Verteilung wenn man sich den Bereich der Berufstätigen und sich in Ausbildung befindlichen Personen anschaut.

Onlinenutzung bei Berufstätigen und Personen in Ausbildung (Angaben in %)

Onlinenutzung bei Berufstätigen und Personen in Ausbildung (Angaben in %)

Gegenüber der Gesamtzahl sieht man, dass die Nutzung von Onlineangeboten bei diesen Personengruppen viel höher ist. Das sagt allerdings noch nichts über die tatsächliche Nutzung aus. Ob also Online-Angebote beruflich genutzt werden, müssen andere Fragen klären, die die Studie auch gestellt hat.

Als erstes Fazit lässt sich konstatieren:

  • Genderspezifische Unterschiede bei der Onlinenutzung sind nach wie vor zu berücksichtigen.
  • Die Nutzung bei den Altersstufen, die für Weiterbildungsangebote wichtig sind, ist nahezu konstant auf hohem Niveau.
  • Berufstätige und in Ausbildung befindliche Personen nutzen das Internet weitgehend.

Diese doch sehr allgemeinen Aussagen sind zunächst einmal wenig befriedigend, wenn es um die Gestaltung von E-Learning-basierten Weiterbildungsangeboten geht. Sie zeigen jedoch, dass das Medium Internet gesellschaftlich weitgehend akzeptiert ist und eine gewisse Gewöhnung eingetreten ist. Eine gute Grundlage, tiefergehende Fragen zu behandeln.

Wie wird das Internet genutzt?

Bei der Internetnutzung haben auch schon die reinen Zahlen eine Aussagekraft, denn sie zeigen, wie die Onlinenutzer ins Internet gelangen (vgl. den Bericht von Bettina Klumpe). Dabei ist der PC oder Laptop immer noch führend (zusammen 98%), weit abgeschlagen rangieren Tablet (8%) und Smartphone (33%). Interessant ist dabei allerdings der starke Anstieg bei den Smartphones gegenüber dem Vorjahr um mehr als 50%. Hier ist also zu erwarten, dass in den nächsten Jahren noch mehr Nutzer über ein mobiles Endgerät auf Inhalte zugreifen (s. auch weiter unten).

Die Orte der Internetnutzung lassen ein paar Rückschlüsse zu.

Orte der Internetnutzung (Angaben in %)

Orte der Internetnutzung (Angaben in %)

Aus Sicht eines E-Learning-Beraters im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung ist es zunächst etwas schockierend, dass nur die Hälfte aller Onlinenutzer das Internet im nicht-privaten Kontext benutzen. Hält man sich jedoch vor Augen, dass die Weiterbildungsangebote berufsbegleitend geplant sind, relativiert sich dieser Schreck etwas. Allerdings ist das Argument für E-Learning in der Weiterbildung, dass dadurch auch weitere Kompetenzen quasi „nebenbei“ erlangt werden, nicht mehr ganz so stark, wenn das Internet bei der Hälfte aller Berufstätigen keine Rolle spielt. Diese Aussage ist natürlich spekulativ. Darüber hinaus können die drei großen Gruppen eigentlich nicht in einen Topf geworfen werden. Zu stark ist der Internetzugang bei Schülern und Studierenden von der jeweiligen Infrastruktur an den Schulen und Unis abhängig, als hier eine verlässliche Aussage treffen zu können.

Genutzte Verbindungsart (Angaben in %)

Genutzte Verbindungsart (Angaben in %)

Ein Aspekt, der vor allem bei der konkreten Umsetzung von Inhalten wichtig ist, ist die Art der Internetverbindung. Zwar ist es erfreulich zu sehen, dass schnelle Verbindungen einen hohen Anteil haben. Allerdings geht aus den Zahlen nicht hervor, wie hier das Verhältnis von Gebieten mit guter zu Gebieten mit schlechter DSL-Versorgung ist.

Web 2.0? Von gestern?

Wenig erhellende Erkenntnisse bringen die Zahlen zur Nutzung von Web-2.0-Angeboten. Während in der E-Learning-Community schon von der nächsten Generation des Web gesprochen wird, hat sich eine andere als eine konsumtive Nutzung der Web-2.0-Angebote nicht durchgesetzt. Mit weitem Vorsprung nutzten die Befragten der Studie Wikipedia, allerdings auch hier nur rezeptiv und nicht produktiv. Für E-Learning interessante Anwendungen zur Produktion von Inhalten durch die Nutzer werden nur sehr selten genutzt. Das deckt sich mit Jahren der Erfahrung im Bereich E-Learning. Sollen die Teilnehmer aktiv ins Kursgeschehen eingreifen, müssen sie explizit dazu aufgefordert werden. Web-2.0-Anwendungen machen nur dann Sinn, wenn sie in einen inhaltlichen Kontext eingebunden sind und die Teilnehmer den Sinn des Werkzeugs für die Aufgabenstellungen verstanden haben.

Web 2.0 ist ein Begriff, der sich häufig (immer) noch nicht durchgesetzt hat. Die didaktischen Vorteile, gerade im Bereich der berufsbegleitenden Weiterbildung mit der schwierigen bis gar nicht vorhandenen Mobilität der Zielgruppe, sind aber unbestritten und müssen behutsam eingeführt werden.

Die mobile Nutzung

Das Hypethema der letzten zwei, drei Jahre ist ganz klar die mobile Nutzung des Internet. Der begleitende Bericht von Birgit van Eimeren und Beate Frees nennt mehrere Faktoren für den Anstieg der mobilen Internetzugänge (von 8% 2010 auf 22% 2012), unter anderem die Attraktivität von Endgeräten und die weite Verbreitung der sogenannten Internet-Flatrates. Ändert sich damit aber auch die tatsächliche Nutzung der mobilen Endgeräte? Werden also Smartphones tatsächlich für mehr genutzt als für eine Art SMS-Versand mit anderen Mitteln?

Fest steht, dass auch im mobilen Bereich die Gruppe der 14-29-Jährigen sehr viel höher vertreten ist, als andere Gruppen. Frauen und Männer liegen jedoch näher zusammen. Wie es mit den Berufstätigen steht, weist die Studie leider nicht aus. Vielleicht muss man sich hier an die Altersstruktur halten.

Eine Aussage über die Effektivität der mobilen Nutzung von Internetinhalten lässt sich nur indirekt treffen. Zwar lässt sich ein starker Anstieg bei der App-Nutzung verzeichnen, allerdings werden viele Apps, die einmal installiert wurden, danach wieder gelöscht oder einfach vergessen. Ein interessante Frage in diesem Zusammenhang wäre es, ob die Nutzer von E-Learning-Angeboten Apps für den Zugang zu Inhalten erwarten. Mir ist durchaus bewusst, dass Apps auch nur auf den gleichen Techniken basieren wie Websites, die im Browser aufgerufen werden. Diese Kenntnis ist aber aller Vermutung nach nicht sehr weit verbreitet. Daher wäre es gut zu erfahren, wie Nutzer auf eine eigens angebotene App reagieren.

Schaut man sich an, wofür das Internet tatsächlich mobil genutzt wird, dann fällt auf, dass Mobilgeräte offensichtlich als Ergänzung zu stationären PCs angesehen werden. Das ist insofern interessant für E-Learning, als dass es ein Hinweis darauf sein könnte, dass eben nicht die gesamten Inhalte für mobile Endgeräte angepasst werden müssen, sondern eventuelle E-Learning-Apps auf die Situationen des Mobileinsatzes angepasst werden sollten. Man könnte sich also vorstellen, dass formatives Assessment mobil angeboten wird, wohingegen die Inhalte vollständig nur über Desktop-PCs verfügbar sind. Das wäre eine interessante gegenseitige Ergänzung, die bereits bei einigen Angeboten zum Tragen kommt. Ein Nutzer arbeitet also zu Hause am PC die Inhalte durch und kann dann z.B. auf dem Weg zur Arbeit im Zug Aufgaben zu diesen Inhalten lösen. Dazu braucht man ein LMS, das unterschiedliche Endgeräte erkennt und unterstützt. Es wäre interessant, den Ansatz aus dem Gebiet des Web Design, nämlich das Responsive Web Design, auch im Bereich der Inhaltsdistribution zu verfolgen. Es gibt bereits erste Firmen (z.B. Kineo), die dies anbieten, aber eine ausgearbeitete Konzeption zum Responsive E-Learning Design steht noch aus.

Da auch die Social Communities einen enormen Anstieg bei den Zugriffen von mobilen Geräten verzeichnen, liegt es nahe, auch für gemeinschaftliches Lernen in solchen Communities einen Anstieg zu erwarten. Dies könnte sicherlich bei Formen wie z.B. den selbst-organisierten Lerngruppen etwa bei Facebook der Fall sein. Allerdings muss man gerade bei E-Learning davon ausgehen, dass es kaum selbstgesteuerten Austausch über die Inhalte geben wird. Dazu gibt es ja bereits einige Studien im Netz, u.a. von Rolf Schulmeister und Gabi Reinmann.

Und nun?

Positiv ist zu verbuchen, dass das Internet die Gesellschaft endgültig durchdrungen hat und wohl auch zu einem akzeptierten Medium geworden ist. Allerdings bleiben ohne die Konsultation von weiteren Daten gerade für den Weiterbildungsmarkt viele Fragen offen:

  • Wie hoch ist die Bedeutung des Internets für verschiedene Zielgruppen tatsächlich? Wie häufig wird das Internet am Arbeitsplatz oder im Arbeitskontext benutzt?
  • Welche tatsächlichen technischen Voraussetzungen (z.B. Verbindungsgeschwindigkeit) können bei der Zielgruppe von wissenschaftlichen Weiterbildungsangeboten festgestellt werden?
  • Welche konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten kann man bei der Zielgruppe erwarten?
  • Wie ist das Verhältnis von passiver und aktiver Nutzung von Internetangeboten?
  • Welche Werkzeuge sind in der Zielgruppe bekannt?
  • Mit welchen Endgeräten möchte die Zielgruppe auf welche Art von Inhalten zugreifen?

Ich glaube, es ist Zeit, sich über ein Umfragenkonzept Gedanken zu machen.

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