Lernräume (in der wissenschaftlichen Weiterbildung) – vorher

Um ehrlich zu sein, habe ich in meinem Urlaub, der zeitlich direkt vor der diesjährigen GMW-Tagung lag, keinen der Texte gelesen, die im vorab veröffentlichten Tagungsband als PDF-Version oder als kommentierbare Version vorlagen. Das mag natürlich ein Fehler gewesen sein, aber die Zugfahrt nach Zürich ist lang und da hätte ich ja noch Zeit, zumindest die interessantesten Artikel zu lesen. Im Endeffekt bin ich also mitschuldig, falls das Format Inverted Conference nicht die erwünschten Erfolge verbucht. Aber im Ernst: Gerade habe ich also im Zug den Artikel von Werner Sesink gelesen und freue mich allein aufgrund dessen auf die Konferenz, von der ich mir eine Antwort auf eine – wie ich jetzt langsam realisiere – zentrale Frage der wissenschaftlichen Weiterbildung, bzw. einer Didaktik zur selbigen, erhoffe:

Welche Auswirkung hat die Tatsache der Unvorhersagbarkeit von Lernräumen in der Selbstlernphase auf die Gestaltung der Inhalte?

An einem Aspekten in den Ausführungen von Sesink habe ich mit dem, was ich hier schreibe, eingehakt: den nicht vorbereiteten Bildungsräumen.

1. Angriff der Gegenwart in meine übrige Zeit

Sesink schreibt vom Einfluss der realen Räume auf den Lernprozess in virtuellen, wenn sich immer durchsetzt, dass mobile Geräte zum Bearbeiten von Inhalten benutzt werden. Der Lernende befindet sich in einem „physischen Aufenthaltsraum, der aber nicht als Bildungsraum vorbereitet ist“ (S. 38, Hervorhebung im Original).

Rückzugsstrategien der Lernenden

Auch wenn meine Vermutung erst einmal ohne empirische Unterfütterung bleibt, die Lernenden, die tatsächlich ortsunabhängig und dementsprechend in einem unvorhersagbaren Raum ihre Inhalte durcharbeiten, werden nicht unüberlegt ihren Lernraum wählen. Im Sinne von „hier kann ich mich nicht konzentrieren“, werden sie Rückzugsstrategien entwickeln. Sie werden einen Raum finden, der ihnen das konzentrierte Arbeiten erlaubt. Nur, wo dieser Raum sich befindet und wie er aussieht, wird unvorhersagbar bleiben.

Unvorhersagbarkeit des (realen) Lernraums

Eine lange Reihe von möglichen Lernräumen könnte zusammengestellt werden, wenn man über die eigene Erfahrung und die im Bekanntenkreis nachdenkt: Klassenräume, Computerräume, Seminarräume, Foyers, Bibliotheken, Parks, Cafés, Arbeitszimmer, Schlafzimmer, usw. Die Liste ließe sich beliebig auch mit skurrilen Orten/Räumen fortsetzen. Wichtig ist die Tatsache, dass der gewählte (reale) Raum den Rückzugsstrategien des Einzelnen oder der Gruppe entgegen kommt. Dies hält Sesink für einen äußerst wichtigen Aspekt.

Lernende werden aber mit der Zeit und der Erfahrung selbst entscheiden, welche Räume für ihr Lernen förderlich sind und welche nicht. Der unattraktive Computerraum ohne Tageslicht wird irgendwann verwaist sein, der Park im Sommer voll von Studierenden mit Laptops und Tablets. Die Vielzahl von Faktoren für diese Rückzugsentscheidungen macht die Vorhersage schwierig.

Aber tatsächlich ist es so, dass der Rückzug in eine geschützte Umgebung manchmal aus verschiedene – häufig zeitlichen – Gründen nicht möglich ist. Wenn eine Weiterbildungsteilnehmerin beruflich stark eingebunden ist, die Deadline für die Studienleistung aber keinen Aufschub mehr duldet, dann ist der reale Raum zweitrangig, weil die Rückzugsstrategie nicht mehr möglich ist. Aus der schwierigen Vorhersage wird also eine unmögliche.

2. Welche Inhalte für welche Räume?

Wenn also nicht vorhergesagt werden kann, wo in der realen Welt mithilfe virtueller Lernumgebungen oder auch Lernräume gelernt wird, hat das Auswirkungen auf Inhalte? Und wenn ja, welche sind das.

Vielleicht sollte ich jetzt erst einmal noch keine Antworten aufschreiben und abwarten, welche Antworten die Tagung bringt. Auf jeden Fall kommen mir Dinge in den Sinn, die in den Diskussionen der UX-/IA-Community enthalten sind. Die Frage ist nur, wie diese auf Lerninhalte umgemodelt werden können.

Mal schauen, ob die GMW mir darauf eine Antwort geben kann.

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